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Brasilien vor der Wahl am 28. Oktober 2018: Eine Analyse des Fondsmanagements der ÖKOWORLD LUX S.A.

Ausgangslage:

Brasilien ist eine junge Demokratie. Von 1964 bis 1985 wurde das Land von einer Militärdiktatur geführt. Danach kam der Sieg der Demokratie, welcher in der Nova República (Sechste Republik) mündete, was mit einer Stärkung der bürgerlichen Freiheitsrechte einherging. Im Anschluss daran wurde Brasilien traditionell von der PT (Arbeiterpartei – Partido dos Trabalhadores) und der PSDB (Mitte-rechts – Partido da Social Democracia Brasileira) dominiert. So stellte die PT die vergangenen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva (2003 - 2011) und Dilma Rousseff (2011 - 2016). 

Durch einen 2017 aufgedeckten Korruptionsskandal (Operation Lava Jato) in dem u. a. das Mineralölunternehmen Petrobas S.A. im Fokus der Ermittlungen stand, kamen Rousseff und Lula da Silva zu Fall. Lula da Silva musste infolgedessen für 12 Jahre ins Gefängnis, was ihn automatisch von der Wahl ausschloss. Eine juristische Anfechtung Lula da Silvas gegen den Ausschluss von der Wahl, wurde final am 31.08.2018 vom obersten Gerichtshof zurückgewiesen. Dilma Rousseff wurde 2016 durch ein Impeachment-Verfahren des Amtes enthoben. Ex-Präsident Lula da Silva ist sehr populär in Brasilien, besonders unter der ärmeren Bevölkerung, da er selbst ein „Aufsteiger“ ist und während seiner Amtszeit durch staatliche Sozialprogramme mehr als 40 Millionen Brasilianern aus der Armut geholfen hat. Dadurch hat er sich eine Popularität und eine unerschütterliche Basis geschaffen, die auch nach dem Skandal nach wie vor loyal zu ihm steht. Lula da Silva war dadurch auch der designierte Kandidat der PT für die Präsidentschaftswahl 2018. 

Da Lula da Silva von der Präsidentschaftswahl ausgeschlossen wurde, musste ein neuer Kandidat ernannt werden. Lula da Silva benannte den früheren Oberbürgermeister von São Paulo, Fernando Haddad (einen studierten Juristen, Ökonom und Doktor der Philosophie), als seinen Protegé. Dieser war den meisten der 147 Millionen brasilianischen Wahlberechtigten unbekannt. Durch die Loyalität einer großen Bevölkerungsgruppe zu Lula da Silva, konnte Haddad aber von Anfang an eine breite Unterstützung erfahren. Ohne die Fürsprache Lula da Silvas wäre dies undenkbar gewesen. Kritiker werfen ihm auch deswegen vor, eine Marionette Lula da Silvas und der PT zu sein.

Nicht zu vergessen ist, dass sich Brasilien bis Ende 2017 in einer dreijährigen Rezession befand. Diese konnte trotz politischer Instabilität überwunden werden. Geführt wird Brasilien derzeit vom ehemaligen Vizepräsidenten Michael Temer. Dieser erfreut sich seit Amtsantritt einstelliger Beliebtheitswerte in politischen Umfragen. Darüber hinaus kämpft die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas mit einer hohen Korruption, steigenden Zahlen von Gewalttaten und ausufernder Kriminalität, die immer neue Rekorde bricht. 

Begünstigt durch diese Umstände stieg der Stern des Marktfavoriten Jair Bolsonaro. Bolsonaro ist ein Populist und wird gemeinhin als rechtsextrem bezeichnet. Der Ex-Militär präsentiert sich als Law-and-Order-Kandidat, der mit markigen Sprüchen in der Öffentlichkeit Stimmung macht. Bolsonaro hat sich in der jüngeren Vergangenheit mehrfach hetzerisch gegenüber Homosexuellen, Immigranten und negativ gegenüber Frauen geäußert. Seine größten Unterstützer sind konservative evangelikale Christen (27% der Bevölkerung), Anhänger des Militärs und vor allem wohlhabende und gebildete Brasilianer.

Insgesamt kann der Wahlkampf in Brasilien als Kampf der Polarisierung beschrieben werden. Beide Seiten sind extrem und die Bevölkerung ist tief gespalten. Vielen Wählern scheint es um das geringere Übel zu gehen. Während die einen den militanten Populisten und Frauenfeind Bolsonaro verhindern wollen, geht es für andere darum die PT auszubremsen, die für viele Brasilianer für die ausufernde Korruption steht und für reiche Brasilianer den Weg in eine Richtung beschreitet, wie sie momentan in Venezuela unter Präsident Nicolás Maduro zu beobachten ist. Dies erklärt auch die Unterstützung der Vermögens- und Bildungselite für den rechtsgerichteten Kandidaten. Zu bedenken ist auch, dass der uns vertraute europäische Rechts-links-Kompass auf Lateinamerika nicht 1:1 übertragbar ist.

Im ersten Wahlgang am 07.10.2018 erzielte Jair Bolsonaro (PSD) 46%, Fernando Haddad (PT) kam auf  29% während Ciro Gomes (PDT) 12% der Stimmen erzielte. Da keiner der Kandidaten die Grenzen von 50% im ersten Wahlgang überschreiten konnte, wird es am 28.10. zu einer entscheidenden Stichwahl zwischen Bolsonaro und Haddad kommen.

Jair Messias Bolsonaro (der Favorit der Märkte)

Bolsonaro (63), ein ehemaliger Captain der Armee und Offizier der Reserve, ist der Marktfavorit und Präsidentschaftskandidat der PSL (Partido Social Liberal). In der Vergangenheit fiel er vor allem mit Lob für die Militärdiktatur auf. Diese verfolgte in ihrer Wirtschaftspolitik die Förderung staatseigener Betriebe, Infrastruktur und Logistik.  Die Hoffnung der Marktteilnehmer liegt aber im Falle eines Wahlsiegs nicht auf Bolsonaro alleine, sondern zu einem großen Teil auf seinem designierten Finanzminister Paulo Guedes und einem starken Beraterteam mit Leuten aus der Privatwirtschaft.

Privatisierung

Zuletzt äußerte sich Bolsonaro zur Privatisierung, insbesondere im Energiesektor, Stichwort Petrobas. Bolsonaro sieht Privatisierungen als Mittel, die Wettbewerbsfähigkeit brasilianischer Unternehmen zu erhöhen und Korruption entgegenzuwirken.

Die Privatisierung von Staatsbetrieben könnte aber in allen Sektoren anstehen. Jedoch sollten Auslandsinvestitionen in strategischen Sektoren wie Energie und Mining „vorsichtig reguliert“ werden. Petrobas ist schon ins Schaufenster gestellt worden für einen wahrscheinlichen Wahlsieg Bolsonaros. Auch über eine Privatisierung des Energieunternehmens Eletrobrás S.A. soll in der kommenden Legislaturperiode erneut abgestimmt werden. Jedoch wurde betont, dass dies vielmehr mittelfristig bzw. am Ende des Horizonts geschehen wird und kein billiger Ausverkauf stattfinden wird. Zuletzt hieß es, dass wahrscheinlich nur die distribution und refining units von Petrobas privatisiert werden sollen. Als Proxy für eine mögliche Entwicklung der Aktienkurse von Staatsunternehmen kann ein Pricetarget von XP Brokerage  für Petrobas herangezogen werden: 33BRL/Share, wenn Bolsonaro gewinnt, gegenüber 22 BRL/Share, wenn Haddad gewinnt.

Exkurs Brasiliens Staatsunternehmen:

In einer Studie von Ende 2008 (https://www2.gwu.edu/~ibi/minerva/Spring2009/Flavia.pdf) wurden 127 Unternehmen dem Portfolio des brasilianischen Staates zugerechnet. 21 davon waren public companies, in 25 weiteren Unternehmen war der Staat Mehrheitseigner und in 81 weiteren Unternehmen Minderheitsaktionär. Vom Gesamtwert des Staats-Portfolios befinden sich 48,1% im Öl-Sektor durch den Anteil an der Petroleo Brasileiro SA – Petrobas, 33% Finanzinstitute, was 6 Banken umfasst. Ebenfalls stark vertreten ist Electricity 6,8% und Supply and Storage 5%.

Die bekanntesten Werte im brasilianischen Staatsportfolio:

Eletrobas, Petrobas, Banco do Brasil, Caixa Economica Federal (CEF Group), Gaspetro (Petrobas Tocher), Transpetro (Petrobas Tocher), Casa da Moeda do Brasil, Banco do Nordeste do Brasil S.A.

Geldpolitik:

Es kann erwartet werden, dass Bolsonaro als autoritärer Präsident auftreten und versuchen wird, Einfluss auf geldpolitische Entscheidungen der brasilianischen Zentralbank zu nehmen. Im Bereich der Zentralbankpolitik setzt Bolsonaro auf Stabilität hinsichtlich Personen und Politik. Der brasilianische Real soll laut ihm auf seinem derzeitigen Niveau weitestgehend bleiben und die Zentralbank in den Devisenhandel eingreifen, sofern notwendig.

Handelspolitik:

China löste 2009 die Vereinigten Staaten als größter Handelspartner Brasiliens ab. Besonders Exporte von Soja und Eisenerzen machen einen Großteil des Handelsvolumens aus. Jedoch hat Bolsonaro Bedenken bezüglich chinesischer Auslandsinvestitionen und des Ausverkaufs der brasilianischen Wirtschaft geäußert. Stattdessen bevorzugt er eine starke Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten. Dies könnte auch für die Vergabe von Staatsaufträgen und Übernahmen durch ausländische Unternehmen ein bedeutender Faktor werden, auch wenn Bolsonaro die Aussagen nachträglich relativierte und China als „außergewöhnlichen“ Partner bezeichnete.

Rentenreform:

Brasilien hat eines der großzügigsten Rentensysteme der Welt, was nahezu ein Drittel der brasilianischen Staatsausgaben in Anspruch nimmt und sich somit stark negativ auf das Staatsdefizit (-8.3% für 2018) auswirkt. Bolsonaro sagt, dass das Rentensystem in Brasilien reformiert werden müsse; als Abgeordneter hatte er sich noch gegensätzlich geäußert. Detaillierte Pläne zu einer Reform des Rentensystems wurden bis jetzt noch nicht veröffentlicht. Des Weiteren plant Bolsonaro, das aufgeblähte Beamtensystem des Landes ins Visier zu nehmen und auch Sozialhilfeprogramme zu überprüfen, darunter „Bolsa Familia" was zuletzt vor allem durch das erschleichen von Sozialleistungen in den Schlagzeilen stand. Von Bolsonaro ist zum Machterhalt eine Politik für die Oberschicht zu erwarten, statt sozialer Programme wie unter Ex-Präsident Lula da Silva. Die Auswirkungen auf den privaten Konsum sind nicht genau messbar, da Programme wie z. B. „Bolsa Familia“ primär nur den Grundbedarf auf sehr niedrigem Niveau abdecken, aber in der Vergangenheit einer nicht bezifferbaren Anzahl von armen Brasilianern den Weg in die Mittelschicht eröffnet hat.

Auslandsinvestitionen

Gemeinhin wird erwartet, dass Bolsonaro durch eine Law-and-Order-Politik das Umfeld für ausländische Investitionen in die brasilianische Wirtschaft verbessern wird. Hierzu zählt insbesondere der Kampf gegen Korruption und Kriminalität. Ferner hat Bolsonaro angekündigt, sich an bestehende Verträge halten zu wollen, was die Rechtssicherheit für ausländische Investitionen verbessert. Brasilien ist nach wie vor ein wachsendes Land und die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas. Auch das Durchschnittsalter ist mit 33,5 Jahren im Jahr 2020 noch relativ jung im Vergleich zu den meisten entwickelten Volkswirtschaften. Ein großer Pool an Arbeitskräften und Wachstumschancen sind unter stabilen wirtschaftspolitischen Voraussetzungen ein ideales Umfeld für Auslandsinvestitionen.

Finanzminister

Im Falle eines Wahlsiegs der PSD wird voraussichtlich Paolo Guedes (69) Finanzminister werden. Der Ökonom und Mitgründer der Investmentbank BTG Pactual ist in der Vergangenheit politisch nur beratend in Erscheinung getreten und hat sich nach seiner Zeit als Banker einen Namen als Unternehmer im brasilianischen Bildungssektor und Gründer einer Private-Equity-Firma gemacht. Guedes ist Absolvent der University of Chicago, wo er 1978 seinen Ph.D. erlangte. Chicago wurde zu dieser Zeit vom späteren Nobelpreisträger Milton Friedman geprägt. Friedman war Zeit seines Lebens ein Anhänger freier Märkte. Auch Guedes kann als Anhänger dieser Lehre gesehen werden. Die Privatisierung von Staatsunternehmen und Deregulierung verschiedener Sektoren wurde bereits angekündigt.

Exkurs Paulo Guedes:

Guedes hat den Think Tank Instituto Milenium gegründet (IMIL). Dieser setzt sich zusammen aus Liberalen und modernen Rechten. Zu den Unterstützern, Partnern und Geldgebern des Think Tanks gehören:

  • Grupo Abril: Firmen-Konglomerat, das sich aus gut 20 Zeitungen, Magazinen, Logistik- und Distributions-Services zusammensetzt und zuletzt von Insolvenz bedroht war. Related Securities sind laut Bloomberg: TVA (Television Sector und joint venture mit Telefonica). Das Bildungsinstitut SOMOS Educação, Anglo, Grupo ETB sowie weitere Bildungsangebote.
  • O Estado de S. Paulo: Tägliches Newspaper, welches aktiv die Militärdiktatur (1964 - 1985) unterstützte und nach wie vor als konservativ beschrieben wird.
  • RBS Group (affiliated to Rede Globo Brazil): Multimedia Communications, E-Marketing und Internet communications.
  • Estácio de Sá: Brasilianische Privatuniversität.
  • The American Chamber of Commerce.
  • Gerdau Group: Stahl für Construction, Industrial, Agriculture, and Automotive.
  • Suzano: Pulp and Paper.
  • Localiza (Rent a Car).
  • Porto Seguro (Versicherung).
  • BoA Merrill Lynch.

Ferner hat Guedes 1989 den Kandidaten Guilherme Afif Domingos (PSD) bei seiner Präsidentschaftskampagne in Wirtschaftsthemen beraten. Domingo ist ebenfalls ein Mann aus der Wirtschaft der zuletzt das Amt des Vize-Gouverneur von São Paulo (2011–2015) bekleidete.

Fernando Haddad

Fernando Haddad (55) ist der Kandidat der PT und von libanesischer Abstammung. Der studierte Jurist, Volkswirt und Doktor der  Philosophie war überwiegend im öffentlichen Dienst tätig. Zudem war er Sonderberater des Ministeriums für Planung, Haushalt und Verwaltung. Haddad ist ein ausgebildeter Bürokrat, der aller Voraussicht nach nicht den Staatsapparat abbauen wird. Von 2012 -  2017 war er Oberbürgermeister von São Paulo. Ein eigenes, landesweites, politisches Profil konnte Haddad bisher nicht entwickeln. Vielmehr gilt er als Mann des von der Wahl ausgeschlossenen Ex-Präsidenten Lula da Silva. Die Nähe zu Lula da Silva ist für den Kandidaten, der im ersten Wahlgang 29% der Stimmen auf sich vereinigen konnte, Fluch und Segen zugleich. Auf der einen Seite garantiert Lula da Silva eine loyale Wählerbasis, die ihn sonst nicht beachten würde, auf der anderen Seite ist Lula da Silva der Grund, warum er für viele Brasilianer nicht wählbar ist. Zwar besteht die Wahrscheinlichkeit, dass er die Stimmen der Anhänger des ultralinken Kandidaten Gomes (12% im ersten Wahlgang) in einer Stichwahl erhält. Jedoch müsste er dafür sein politisches Profil in diese Richtung schärfen. Gomes fiel damit auf, dass er Investoren davon abriet, in staatliche Unternehmen zu investieren, da er sie im Falle eines Wahlsieges enteignen würde. Eine solche Politik ist von Haddad nicht zu befürchten. Haddad machte sich dafür stark, die Austeritätspolitik zu beenden. “Without public investment, without families spending, without cheap credit, the economy won’t recover.”

Haddad, der als moderater Kandidat der PT antritt, wird vermutlich seine Wirtschaftspolitik an der Politik seiner Vorgänger und dem Programm der PT ausrichten. Hierzu gehören Pläne, die Budgetrestriktion des öffentlichen Haushalts auszuweiten und an dem, den Haushalt belastenden Rentensystem festzuhalten, sowie eine Fortführung und Ausweitung staatlicher Sozialprogramme. Ein Anstieg der Staatsausgaben ist im Falle eines Sieges nahezu ausgemacht. Zu erwähnen ist, dass Rousseff auch abgesetzt wurde, weil sie sich über Budgetrestriktionen hinwegsetzt hat. Um eine Chance auf den Wahlsieg zu haben, muss Haddad sich wirtschaftsfreundlicher zeigen, um vor allem Stimmen aus dem gemäßigten Zentrum und den mittleren bis oberen Einkommensschichten hinzuzugewinnen.

Bereits im August soll sich Haddad einem Reuters-Bericht zufolge mit Abgesandten von Banken und Investment-Firmen getroffen haben. Ein strategischer Zug, den auch schon Lula da Silva 2002 unternahm und anschließend den Wahlsieg errang, nachdem er eine liberalere Wirtschaftspolitik ankündigte. Der Konsensus der Investoreneinschätzung ist, dass Haddad offener ist für eine wirtschaftsfreundliche Politik als erwartet und aufgeschlossener ist als der Grundtenor der PT. Im Falle eines Wahlsieges wird erwartet, dass sich seine Wirtschaftspolitik an der ersten Amtszeit Lula da Silvas orientiert und nicht an jener der ausgabefreudigen Dilma Rousseff, deren Wirtschaftspolitik er teilweise kritisierte. So wurde unter Dilma Rousseff z. B. dem Mineralöl-Unternehmen Petrobas von Seiten der Regierung der Preis diktiert. Eine Form der Wirtschaftspolitik, von der Fernando Haddad sich öffentlich distanziert. “I’m against using Petrobras to combat inflation. Petrobras is a company, it has shareholders,” so Haddad. Einen Investmentbanker als Berater an seiner Seite hat Haddad dennoch kategorisch ausgeschlossen. Den Schwerpunkt seiner Wirtschaftspolitik will Haddad auf das Schaffen von Arbeitsplätzen legen. Ein geeigneter Kandidat für das Amt des Finanzministers wäre seiner Ansicht nach Josue Gomes, Sohn des ehemaligen brasilianischen Vizepräsidenten Jose Alencar. Zudem machte sich Haddad zuletzt öffentlich für ein einheitliches Rentensystem stark. Einen Verkauf der Staatsunternehmen Petrobas, Banco de Brasil, CEF (Caixa Economica Federal), Eletrobas und der brasilianischen Post Correios (Empresa de Correios e Telegrafos) hat Haddad bis jetzt verneint. Möglicherweise sollen die Staatsunternehmen die Sozialprogramme und das Rentensystem Brasiliens in Zukunft finanzieren und zu diesem Zweck auch zukünftigen Generation zur Verfügung stehen.

Offen bleibt aber, wie viel eigenes Gewicht in Haddads Ankündigungen steckt. Schließlich begründet sich sein Erfolg auf dem Wohlwollen Lula da Silvas und der PT. Diese könnten Haddad genauso schnell fallen lassen, wie sie ihn hervorgebracht haben. Eine Hochrechnung des Portals Datafolha (Datafolha hat den Sieg von Bolsonaro im ersten Wahlgang mit 32% geschätzt, 46% waren es am Ende) sieht das Wahlergebnis der Stichwahl derzeit bei 58% zu 42% zugunsten Bolsonaros (Stand 15.10.2018). Eine Umfrage des Instituts Ibope vom 16.10. sieht Bolsonaro gar bei 59%. Sollte Haddad dennoch gewinnen, ist damit zu rechnen, dass die Aktienkurse um die Gewinne der letzten drei Monate teilweise bereinigt werden. Dennoch ist ein Wahlsieg Haddads kein Weltuntergang für die brasilianische Wirtschaft, sollte sich Haddad an der ersten Amtszeit Lula da Silvas orientieren. Diese endete 2006 und war von Wirtschaftswachstum und einer sinkenden Armutsrate geprägt. Auch in der zweiten Amtszeit konnte das Wirtschaftswachstum aufrechterhalten werden. Jedoch spaltete sich das Land zunehmend was in einem polarisierenden Wahlkampf im Herbst 2018 resultierte.

Wertentwicklung im Ibovespa Index nach Unternehmen und Sektoren:

Im Zeitraum 18.06.2018 bis 10.10.2018 hat der brasilianische Ibovespa-Index um starke 19,86% zugenommen. Diese Entwicklung wurde angetrieben von einem wahrscheinlichen Sieg Bolsonaros. Sollte Bolsonaro wie erwartet die Wahl gewinnen, ist davon auszugehen, dass die Aktienkurse der in den vergangenen Monaten profitierenden Sektoren und Unternehmen auch während seiner Amtszeit profitieren werden. Im Ibovespa-Index waren dies vor allem Nicht-Basiskonsumgüter (+16,33%), Energie (+55,05%), Finanzwerte (+31,46%) und Real Estate (23,61%) sowie Versorgungsunternehmen (21,30%).Ferner sollte der brasilianische Real gegenüber Fremdwährungen aufwerten, da ein ausuferndes Budgetdefizit eher im Falle eines Wahlsieges Haddads zu befürchten ist. Dies könnte auch Auswirkungen auf die Produktion und somit den Preis von Kaffee und Zucker haben, beide Commodities werden in US-Dollar gehandelt. Im selben Zug ist auch zu erwarten, dass die Risikoprämie für brasilianische Staatsanleihen sinken wird. Entscheidend wird sein, wie schnell Guedes die Privatisierung vorantreibt und wie schnell und in welchem Umfang das Rentensystem reformiert wird. Dies könnte ceteris paribus zu einem günstigeren Klima für Investition führen und mit einer prosperierenden brasilianischen Wirtschaft einhergehen. Sollte entgegen den Erwartungen der PT-Kandidat, Fernando Haddad, als Sieger aus der Wahl hervorgehen, könnten die Sektoren Energie und Finanzen ihre Gewinne einbüßen. Profitieren könnten dann Unternehmen, die von Staatsausgaben profitieren. Besonders Konsumgüterhersteller könnten in den Fokus der Investoren geraten. Eine Reform des Rentensystems und eine Privatisierungswelle im Sinne Thatchers ist unter Haddad nicht zu erwarten.