Mal ganz persönlich: Interview mit Mathias Pianowski, Senior Sustainability Analyst bei ÖKOWORLD

Mathias Pianowski (M) wurde interviewt von Gunter Schäfer (G), Chief Marketing Officer der ÖKOWORLD AG.

G: Welche Person, die eine Rolle in deinem Leben spielt, sollte ich fragen: „ Wer ist eigentlich Mathias?“ Was würde diese Person antworten?

M: Meine Frau würde sagen, Mathias ist ein Mensch, der sich wenig sagen lassen will, aber meistens Recht behalten. Damit liegt sie natürlich völlig falsch.


G: Ich weiß, dass ihr im Nachhaltigkeitsresearch viel Fachliteratur lest. Aber liest du eigentlich auch gern Romane?

M: Offen gestanden finde ich Romane selten interessant und lege die Hälfte vorzeitig weg. In den letzten Wochen habe ich allerdings gern Houellebec gelesen, das aktuelle Buch „Serotonin“ und dann „Unterwerfung“. Ich finde die Idee des aktuellen politischen Romans ganz hervorragend und auch notwendig. Denn sagen lassen die Menschen sich bekanntlich nichts. Erzählen aber alles.


G: Worauf kannst du nicht verzichten?

M: Niemals auf einen schönen trockenen Riesling. Das ist seit meiner Zeit in Mainz so und geht nicht mehr weg. Muss es auch nicht.


G: Du bist für die ÖKOWORLD samt deiner fünfköpfigen Familie aus Mainz weggegangen. Warum hast du dich für diesen großen Schritt entschieden?

M: Ich war Unternehmensberater und schrieb eines Tages einen Nachhaltigkeitsbericht für einen internationalen Glücksspielkonzern. Es gibt allerdings nichts Richtiges im Falschen. Das reicht, sagte ich mir also. Heute stehe ich mit meinen Überzeugungen hinter dem, was ich tue. Ich muss meine ganzen Erfahrungen einbringen und fortwährend dazulernen, damit wir uns als Research weiterentwickeln. Das ist besser.


G: Du hast Wirtschaft studiert. Passt das zur Nachhaltigkeit?

M: Wirtschaften ist das Gleiche wie Nachhaltigkeit – kluges Haushalten. Niemand sagt, dass man mit der Theorie der Wirtschaftswissenschaften nur asozial Gewinne maximieren darf. Zielgröße kann auch das Wohlbefinden aller Menschen sein.


G: Was könnte die deutsche Politik für mehr Nachhaltigkeit tun?

M: Marktwirtschaft wagen. Aber das wird sie nicht tun.


G: Wie bitte?

M: Die derzeitige Lobby-Wirtschaft zerstört unsere Lebensgrundlagen, weil die Preise nicht die Knappheit der Umweltqualität abbilden. Daher versagt der Markt. Ein Preis auf CO2 wäre ein guter Anfang für einen Kurswechsel. Für diese Internalisierung externer Kosten und damit faire Spielregeln müsste allerdings die Politik sorgen. Das passiert zu langsam und meistens auf EU-Ebene. Deutschland bremst da eher.


G: Empört dich das?

M: Ja. Und vieles mehr.


G: Was denn? Kannst du aktuelle Beispiele nennen?

M: Christian Lindner will Klimaschutz den Profis zu überlassen. Finde ich gut. Jemand sollte ihm sagen, dass Klimawissenschaftler Profis sind. Altmaier rät dazu, lieber zu lernen als zu protestieren. So könne man später viel besser die Probleme lösen. „Später“ – also wenn alles im Eimer ist. Das ist so zynisch, dass es mir schon fast wieder gefällt. Auch dass man sich bilden soll statt zu schwänzen – in einem Land, dass nicht auf seine Gebildeten hört. Genau mein Humor.


G: Du sprichst damit die Demos von Fridays for Future an. Was sagst du denn zu dem Vorwurf, dass die Demonstranten nur schwänzen wollen und zum Verweis auf die Schulpflicht?

M: Die Vorwürfe sind natürlich lächerlich, weil logisch nicht haltbar. Schwänzen kann doch jeder auch ohne sich die Mühe einer Demonstration zu machen. Das Fehlen wird dadurch ja nicht entschuldigt. Ziviler Ungehorsam ist eine Pflicht, die im Übrigen nicht nur aus unserem Gewissen, sondern auch aus unserer Verfassung heraus erwächst. Natürlich muss der Protest in der Schulzeit passieren, sonst gäbe es doch keine Konflikte und er fände keine Beachtung.


G: Würdest du deinen Kindern die Teilnahme bei Friday for Future Demos erlauben?

M: Mit meinem Sohn Anton war ich am letzten weltweiten Streiktag in Düsseldorf. Ich bin sehr stolz auf ihn und auf alle, die sich da in den verdammt kalten Nieselregen gestellt haben. Man kam schnell ins Gespräch – an der Bahnstation und auf den Plätzen. Ich bin seit diesem Tag noch beeindruckter von dem, was diese Schülerinnen und Schüler tatsächlich wissen über den Klimawandel und mit welchem klaren Verstand und Engagement sie ihr Ziel verfolgen. Die haben weit mehr drauf als ihre Kritiker.


G: Danke für das Gespräch und die Einblicke.