Am 23. Juni 2016 entschieden sich die Briten in einem Referendum für den Austritt aus der europäischen Union. Die Entscheidung der Mehrheit des Volkes sorgte sowohl politisch als auch an den Finanzmärkten für ein Beben.
Politik
Nachdem der Initiator des Referendums und EU-Befürworter David Cameron abgetreten ist, übernahm die eurokritische und konservative Theresa May Mitte Juli 2016 das Amt der Premierministerin. Am 29. März 2017 wurde gemäß Artikel 50 des Lissabon-Vertrags schließlich der Austrittsantrag schriftlich an den Europäischen Rat übergeben. Hierauf folgt nun eine vertraglich fixierte zweijährige Verhandlungsperiode. Für viele unerwartet kam im April 2017 die Ankündigung von Theresa May für den Juni Neuwahlen anzusetzen. Entgegen Ihrem Kalkül, danach durch eine gestärkte Wählerzustimmung in die Austrittverhandlungen mit der europäischen Union zu gehen, verlor die konservative Tory-Partei die absolute Mehrheit und strebt nun eine Koalition mit der irischen Democratic Unionist Party (DUP) an. Auch fast ein Jahr nach dem Referendum ist es schwer vorhersehbar wo die Reise hin geht. Mit der Einreichung der Austrittsvereinbarung ist zwar der erste formale Schritt für einen EU-Austritt getan, über die Bedingungen stehen aber komplexe Verhandlungen an. Die europäische Union befindet sich vor einem Drahtseilakt: Zum einen möchte man mögliche „Nachahmungstäter“ verhindern, zum anderen war Großbritannien in der Vergangenheit sowohl auf politischer als auch auf wirtschaftlicher Ebene ein wichtiger Partner den man durch zu harte Restriktionen nicht verlieren möchte. Während im Vereinigten Königreich Theresa May einen „harten Brexit“ mit Verlassen des europäischen Binnenmarktes (=u.a. zollfreier Warenverkehr) bevorzugt, präferiert der neue Koalitionspartner DUP ersten Aussagen zufolge einen „weichen Brexit“. Vermehrten Gegenwind verspürt die Premierministerin auch aus der eigenen Partei. Nachdem durch die vorgezogene Neuwahl für viele Gegner grundlos die absolute Mehrheit der Konservativen „verschenkt“ wurde, vernimmt man erste Töne die eine Ablösung fordern.
Finanzmarkt und Chancen
Im Vereinigten Königreich verlor der Hauptindex FTSE 100 am Tag nach dem Referendum mehr als drei Prozent an Wert und auch das britische Pfund wertete deutlich gegenüber den wichtigsten Hauptwährungen ab. Nach anfänglichem Pessimismus kehrte man in Großbritannien schnell wieder zum Alltag zurück. Vor allem fundamental gefestigte Unternehmen konnten mit ihren Unternehmenszahlen überzeugen. Kurstreibend wirkten zudem Maßnahmen und Aussagen der Bank of England. Bereits im August 2016 senkte die Zentralbank den Leitzins auf ein Rekordtief von 0,25 Prozent und deutete im Falle einer wirtschaftlichen Verschlechterung weitere expansive Unterstützungsmaßnahmen an. Ähnlich der meisten europäischen Hauptindizes konnte der britische FTSE 100 im Zuge niedriger Zinsen, „Trump-Rallye“ und vielversprechender Unternehmensergebnisse deutlich zulegen.
Risikomanagement und stabile Exportwerte
Trotz aller politischer Unsicherheit gilt es weiterhin durch ein aktives und professionelles Risikomanagement die Gefahren zu identifizieren und den Fokus auf die Chancen zu richten. Durch unseren Stockpicking-Ansatz ist es bei Ökoworld möglich immer wieder fundamental starke, nachhaltige Unternehmen mit einer hervorragenden überdurchschnittlichen Performance ausfindig zu machen. Zum einen sehen wir vielfältige Chancen für stabil aufgestellte Exportwerte. Durch die massive Abwertung des Britischen Pfundes werden deren Produkte noch attraktiver für ausländische Käufer. Als Paradebeispiel nennen kann man das Unternehmen Halma. Der Spezialist für Arbeitsschutz und betriebliche Gefahrenerkennung profitiert seit Jahren von einem weltweit steigenden Bedürfnis nach Arbeitsschutzmaßnahmen. Diese werden zunehmend gesetzlich verankert. Halma erwirtschaftet einen Großteil der Umsätze außerhalb des Heimatmarktes und sollte auch in Zukunft ein Profiteur des schwachen Britischen Pfunds und seinen qualitativ hochwertigen Produktlösungen sein. Auf der anderen Seite betrachten wir Firmen, die den Umsatz fast ausschließlich im Vereinigten Königreich erwirtschaften. Besonders attraktiv gezeigt hat sich bisher der heimische Immobiliensektor. Trotz aller Befürchtungen, dass ein Abzug ausländischer Investoren für einen Preisverfall sorgen könnte, berichteten fast alle unsere investierten Titel per se positive Zahlenwerke. Die Treiber für diese erfreuliche Entwicklung sind vielfältig. Durch staatlich subventionierte Programme wie dem „Help to buy“ soll Normalverdienern durch Tilgungszuschüsse und Zinsentlastungen beim Kauf des Eigentums geholfen werden. Zudem senkt das geringe Zinsniveau die Finanzierungskosten von Immobilien und der Verfall des britischen Pfunds macht ein Investment im britischen Immobilienmarkt durch die real niedrigeren Preise für Ausländer attraktiver.
Guter Nährboden
Auch als erfahrener Fondsmanager ist aktuell ein gewisses Maß an Vorsicht bei britischen Investments angebracht. Dennoch darf nicht vergessen werden, dass Großbritannien selbst nach einem „harten Brexit“ eine der wirtschaftlichen Stützen Europas bleiben wird. Allein diese Tatsache garantiert einen guten Nährboden für interessante Wachstumstitel.