Diesel: Ende der Märchenstunde – Ein Beitrag von Dr. Karl-Heinz Brendgen

Am Anfang stand deutsche Ingenieurskunst. In den Achtzigerjahren gelang es VW-Entwicklern, den Dieselmotor mit Direkteinspritzung für den Pkw-Einsatz tauglich zu machen. Diese Entwicklung gilt bis heute als eine der wichtigsten Innovationen der Automobilgeschichte. Das Kürzel TDI (Turbodiesel-Direkteinspritzer) wurde zum Inbegriff für sparsame Dieseltechnik. VW und Audi waren damit zunächst allen Wettbewerbern eine Modellgeneration voraus, bis diese ebenfalls Direkteinspritzungs-Modelle entwickelten.

Doch die Direkteinspritzungstechnik hat negative Auswirkungen. Zwar sinken mit dem Kraftstoffverbrauch die CO2-Emissionen. Jedoch steigt der Ausstoß von anderen gesundheits- und umweltschädlichen Stoffen an; neben Feinstaub, der durch Dieselpartikelfilter aus dem Abgas entfernt wird, insbesondere der Ausstoß von Stickoxiden.

Die EU entschied sich für die geringeren CO2-Emissionen und nahm die Stickoxidrisiken in Kauf. Diesel-Pkws dürfen seither mehr Stickoxide ausstoßen als Pkws mit Benzinmotoren.

Mit den Jahren wurden immer strengere Grenzwerte für den Schadstoffausstoß von Diesel-Pkws festgelegt. So gilt entsprechend der für Neuzulassungen seit dem 1.9.2015 verbindlichen Euro-6-Norm ein Grenzwert von 80 Milligramm Stickoxiden je Kilometer. VW und andere sicherten zu, diesen Grenzwert einzuhalten. Allerdings war von Beginn an klar, dass dies nur mit aufwendiger und teurer Technik möglich sein würde.

Wieder ging es um deutsche Ingenieurskunst. Wie wir jetzt wissen, hatte es damit nun allerdings seine besondere Bewandtnis. Die VW-Entwickler hatten für die im vergangenen Jahrzehnt entwickelte Diesel-Motorenfamilie E 189 im Jahr 2008 neben den Abgasnormen auch strenge Kostenvorgaben einzuhalten. Beides zusammen war technisch nicht möglich. Die Lösung des Problems war die Installation einer Manipulationssoftware in den Fahrzeugen, die dazu führte, dass der Ausstoß von Stickoxiden beim Test auf dem Rollenprüfstand verringert wurde, ansonsten jedoch nicht.

Der Skandal hinter dem Skandal

Der Skandal hinter dem Skandal ist, dass es, wie neue Studien zeigen, immer fraglicher erscheint, ob die Automobilindustrie den Grenzwert der Euro-6-Norm unter strengeren Testbedingungen, wie sie in der EU 2017 eingeführt werden sollen, selbst auf dem Rollenprüfstand einhalten kann. In diesem Jahr erfolgte Tests haben gezeigt, dass von den meisten Diesel-Pkws der Grenzwert von 80 Milligramm Stickoxiden je Kilometer unter den strengeren Testbedingungen überschritten wird, im Durchschnitt um mehr als das Doppelte. Kein Wunder, dass die Automobilindustrie die Einführung der strengeren Testbedingungen auf 2020 verschieben will.

Im realen Fahrbetrieb auf der Straße, der in der EU mit Einschränkungen schrittweise bis 2019 Testmaßstab werden soll, erscheint die Einhaltung der Grenzwerte aus heutiger Sicht ausgeschlossen. Aus diesem Grund will die EU zulassen, dass Diesel-Pkws im realen Fahrbetrieb auf der Straße b. a. w. 160 Milligramm Stickoxide je Kilometer ausstoßen dürfen statt 80 Milligramm im Testbetrieb. Vertraut wird darauf, dass es der Industrie gelingen wird, das Problem bis 2019 zu lösen.

Kritische Experten haben bereits 2013 darauf hingewiesen, dass dies aller Voraussicht nach nur durch die weitere Subventionierung des  Diesels möglich sein wird. Bereits heute wird Diesel mit 18 Cent weniger besteuert als der Liter Benzin. Dies hat über Jahre zu einer Marktverzerrung zulasten von Technologien ohne Verbrennungsmotor wie Elektro- und Brennstoffzellenantrieb und zu einem Dieselboom in Deutschland geführt. 2013 betrug der Anteil von Diesel-Pkws an den Neuzulassungen erstmals mehr als 50%.

Das Ergebnis ist bekannt: Überschreitung des Grenzwertes für die Stickoxidbelastung in vielen deutschen Großstädten, mit erheblichen gesundheitlichen Auswirkungen. Stickoxide führen zu Atemwegs- und Lungenerkrankungen wie Asthma und Lungenkrebs.