Ein zentrales Thema im Hinblick auf das Erreichen einer Kreislaufwirtschaft wird zunehmend die Nutzung von Abwasser als Rohstoffquelle. Die Bedeutung dieses Themas ist nicht zuletzt daran zu erkennen, dass sich die nächste World Water Week, die vom 27.8. bis zum 1.9.2017 in Stockholm stattfindet, damit befassen wird, neben anderen Themen, die mit Abfall und Abwasser im Hinblick auf das Erreichen einer Kreislaufwirtschaft zu tun haben.
Ressourcenschonung
In der Industrie, jedenfalls in hochindustrialisierten Ländern, ist die systematische Gewinnung von Sekundärrohstoffen aus prozessinternen Abwässern weitgehend Standard, selbst wenn dies bislang eher aus Gründen des Gesundheits- und Gewässerschutzes (gesetzliche Auflagen) erfolgt als zum Zweck der Ressourcenschonung. Die Ausnahme bilden diesbezüglich insb. solche Abwässer aus industriellen Prozessen, bei denen Spuren von Gold oder anderen Edelmetallen ins Abwasser gelangen.
Biogas aus Klärschlamm – Rückgewinnung von Phosphor
Bei der Reinigung kommunaler Abwässer entsteht aufgrund des verwendeten Standardverfahrens (biologische Klärstufe, die einer mechanischen Reinigung nachfolgt) am Ende Klärschlamm. Dieser besteht aus sedimentierten Feststoffen aus dem Abwasser sowie aus bakterieller Biomasse, die im Belebtschlammverfahren entsteht.
Seitdem die Düngung mit Klärschlamm aufgrund der Belastung durch Schadstoffe (Schwermetalle, Arzneimittelreste u. a.) immer umstrittener geworden ist, wird der Klärschlamm – genauer der darin enthaltene Kohlenstoff – überwiegend thermisch in zentralen Mono- oder Mitverbrennungsanlagen verwertet. Zuvor erfolgt die Erzeugung von Biogas auf den Kläranlagen, das insbesondere zur anteiligen Selbstversorgung der Kläranlagen mit Energie dient.
Bei der Klärschlammentsorgung in Kohlekraftwerken, Zementwerken oder Müllverbrennungsanlagen gehen andere im kommunalen Abwasser/Klärschlamm enthaltene Rohstoffe, insb. Phosphor und Stickstoff, verloren. Bei Phosphor ist dies aufgrund der Verknappung und der Konzentration auf wenige Länder der Erde in häufig politisch instabilen Regionen (Nordafrika, östliches Mittelmeer) bekanntlich besonders problematisch. Ziel muss es daher sein, Phosphor, der als wesentlicher wertgebender Bestandteil der menschlichen Fäkalien in das Abwasser gelangt, als Dünger aus Abwasser, Klärschlamm oder der Klärschlammasche (nach einer Klärschlammmonoverbrennung) rückzugewinnen.
Abwasserklärung in Bioraffinerien
Als Alternative zur herkömmlichen biologischen Abwasserklärung wird u. a. aus diesem Grund seit einigen Jahren ein alternativer Ansatz diskutiert und mittlerweile – jedenfalls gilt das für Teilsysteme – in Pilotanlagen getestet, der darauf basiert, die Abwasserklärung mit nachgelagerten industriellen Verfahren zu verbinden, wie sie aus der Chemieindustrie bekannt sind. Aufgrund der Rohstoffquelle werden diese Anlagen als Bioraffinerien bezeichnet.
Entscheidende Anforderungen an alle zukünftigen Ansätze der Abwasserreinigung sind,
- dass das primäre Ziel, die weitgehende Reinigung von Abwasser ohne Qualitätseinbußen weiterhin erfüllt wird,
- dass es sich bei der Abwasserreinigung nicht mehr in erster Linie um einen Entsorgungsprozess handelt, sondern um einen energetisch optimierten Prozess der Rohstoffgewinnung (z. B. in Deutschland mit Forschungsmitteln geförderte „Kläranlage der Zukunft“), insbesondere des Phosphors,
- dass der im Abwasser enthaltene Kohlenstoff im Falle einer Verbrennung andere Kohlenstoff-basierte Energieträger substituiert (z. B. als Biogas in Blockheizkraftwerken oder als CNG-analoger Treibstoff zur Nutzung in Kraftfahrzeugen; CNG = engl. Abkürzung für komprimiertes Erdgas), und
- dass dieser Kohlenstoff, genauer daraus entstandene Kohlenwasserstoffverbindungen, z. B. Methan (aus gereinigtem Biogas; ggf. auch der darin enthaltene Wasserstoff separat), perspektivisch industriell als Rohstoff/e nutzbar wird/werden.
Als externer Fachreferent wurde zur Beiratssitzung zu diesem Thema von ÖKOWORLD auch eingeladen:
Dr.-Ing. Daniel Maga, Fraunhofer UMSICHT, Abteilung Nachhaltigkeits- und Ressourcenmanagement: Sustainability of Biorefineries and Bio-Based Products
Zu den Autoren:
Bei der Beobachtung und Bewertung der weiteren Entwicklung im Wasser- bzw. Klimasektor und bei der Einschätzung von Produkten und Technologien wird ÖKOWORLD für die Fonds ÖKOWORLD WATER FOR LIFE und ÖKOWORLD KLIMA durch einen dreiköpfigen wissenschaftlichen Fachbeirat unterstützt.
Die Mitglieder des Fachbeirates:
Prof. Dr. Gerald Haug
Im Jahr 2003 übernahm Gerald Haug die Stelle eines Sektionsleiters am Geoforschungszentrum in Potsdam und wurde zum Professor an die Universität Potsdam gewählt. Mitte 2007 kam er als ordentlicher Professor zurück an die ETH Zürich, wo er zuvor bereits von 2000 bis 2003 tätig war und 2002 habilitierte.
Seit August 2015 ist er Direktor der Abteilung Klimageochemie im Max-Planck-Institut für Chemie. Gerald Haug befasst sich in seiner Forschung mit dem Klima und der Ozeanographie des Känozoikums, mit einem besonderen Schwerpunkt der Klimaentwicklung der letzten Jahrtausende bis Jahrmillionen. Anhand von geologischen Klimaarchiven untersucht er die Wechselwirkungen zwischen Klima und mariner und terrestrischer Biosphäre mit einem Blick auf den Einfluss des Klimas auf den Lebensraum des Menschen. Gerald Haug wurde im Jahr 2007 mit dem Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft ausgezeichnet.
Dr.-Ing. David Montag
David Montag ist Oberingenieuer am Institut für Siedlungswasserwirtschaft der RWTH Aachen, wo er zuvor von 2008 bis 2011 den Forschungsbereich Abwasser- und Klärschlammbehandlung leitete. Im Jahr 2008 promovierte er zum Thema „Phosphorrückgewinnung bei der Abwasserreinigung – Entwicklung eines Verfahrens zur Integration in kommunale Kläranlagen“. Seine Doktorarbeit wurde mit dem Förderpreis des Instituts zur Förderung der Wassergüte- und Wassermengenwirtschaft (IFWW) ausgezeichnet. Neben dem weiterhin im Fokus stehenden Thema der Phosphorrückgewinnung aus Abwasser, Klärschlamm und Klärschlammasche befasst sich David Montag in seinen Forschungsaktivitäten schwerpunktmäßig mit der Elimination von Spurenstoffen wie organischen Industriechemikalien und Arzneimittelrückständen aus Abwasser. Ein weiteres Beschäftigungsfeld ist die energetische Optimierung von Prozessen der Abwasserreinigung und Klärschlammbehandlung. David Montag hat an der RWTH Aachen einen Lehrauftrag für das Fach "Weitergehende Abwasserreinigung".
David Montag ist aktives Mitglied in verschiedenen Ausschüssen und Arbeitsgruppen der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA).
Prof. Dr.-Ing. Harald Bradke
Harald Bradke leitet seit 1996 das Competence Center Energiepolitik und Energiesysteme des Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung ISI in Karlsruhe, hat seit 1999 einen Lehrauftrag für Energiewirtschaft an der Universität Kassel, seit 2010 Honorarprofessur und ist seit 2001 Beirat der VDI-Gesellschaft Energie und Umwelt. Sein Arbeitsbereich sind Untersuchungen zur technologischen und wirtschaftlichen Entwicklung von Energietechnologien mit einem Schwerpunkt bei Analysen von Hemmnissen und Potenzialen der rationellen Energienutzung in Industrie und Gewerbe. Aktuell leitet er ein Pilotprojekt mit 30 Unternehmens-Netzwerken zum Thema Energieeffizienz.